Vatikan-Gipfel: Harte Themen

von Christof Beckmann

Sonntag, 17.02.2019

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Bildmontage: KiP

Der Vatikan-Gipfel wirft seine Schatten: Im Mittelpunkt steht ein Thema, das die Kirche dringend klären muss. Dem Missbrauch durch Geistliche und Mitarbeiter muss eindeutig Einhalt geboten werden, so Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der DBK...

INFO: In der katholischen Kirche kommen seit Jahren immer wieder Fälle von sexuellem Missbrauch ans Licht. Und das in vielen Ländern der Welt, zuletzt in den USA, in Chile, in Argentinien. „Ein weltweites Problem kann nur weltweit angegangen werden“, erklärte Papst Franziskus darum seine Entscheidung, die Vorsitzenden sämtlicher Bischofskonferenzen und Ostkirchen sowie Vertreter katholischer Orden zum Thema Missbrauch vom 21. bis 24. Februar in den Vatikan einzubestellen. „Der erste Schritt - so heißt es in dem Brief - muss darin bestehen, die Wahrheit über das Geschehene zu erkennen, deshalb fordern wir alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen auf, mit Opfern, die sexuellen Missbrauch durch den Klerus erlebt haben, in ihren jeweiligen Ländern vor dem Treffen in Rom zu sprechen, um das Leiden, das sie erlitten haben, wirklich zu verstehen“, heißt es in einem Mitte Januar veröffentlichten Schreiben. Es sei „ganz wesentlich“, dass die Bischöfe nach ihrer Rückkehr aus Rom „die anzuwendenden Gesetze kennen sowie die notwendigen Schritte unternehmen, um Missbrauch zu verhindern, sich um die Opfer zu kümmern und sicherzustellen, dass kein Fall vertuscht oder begraben wird“. Bei dem weltweiten Bischofstreffen sind neben Plenarrunden und Arbeitsgruppen auch eine Bußfeier sowie Vorträge von Betroffenen vorgesehen. Während des Treffens selbst sind tägliche Briefings in verschiedenen Sprachen geplant.

Der Papst will an der gesamten Konferenz teilnehmen, die Plenarversammlungen des viertägigen Treffens soll der frühere Vatikansprecher Federico Lombardi moderieren. In der Pressemitteilung des Vatikans heißt es, dass alle Teilnehmer der großen Konferenz im Februar aufgefordert seien, „dem Beispiel von Papst Franziskus zu folgen, sich vor dem Gipfel in Rom persönlich mit Opfern zu treffen“. Abschluss der Bischofsversammlung am Sonntag ist eine Messe.

Dem Vorbereitungsgremium für das Bischofstreffen gehören Chicagos Kardinal Blase Cupich, Kardinal Oswald Gracias aus Bombay und Maltas Erzbischof Charles Scicluna sowie der deutsche Jesuit und Psychologe Hans Zollner als Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums an. Er stellte die Reformanstrengungen der katholischen Kirche in Deutschland im Umgang mit sexuellem Missbrauch heraus: In vermutlich kaum einer Institution in Deutschland sei Prävention „so flächendeckend vorhanden“ wie in der Kirche, so Zollner. „Deutschland gehört inzwischen wie Irland, die USA oder Australien zu den führenden Nationen weltweit“, sagte der Psychologe und Theologe der „Herder Korrespondenz“ (Februar-Ausgabe). Beteiligt an der Vorbereitung waren zudem der Leiter der päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal Sean Patrick O'Malley, und die Italienerinnen Gabriella Gambino und Linda Ghisoni, Untersekretärinnen der Vatikanbehörde für Laien sowie Familie und Leben.

„Deutliche Signale“ von dem bevorstehenden Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan erhofft sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Es gelte, eine „Haltung des Verdrängens und des Schutzes der Institution“ zu beenden und sich an den Betroffenen von Missbrauch zu orientieren, erklärte ZdK-Präsident Thomas Sternberg am vergangenen Mittwoch in Bonn. „Niemand in der Weltkirche darf in Bezug auf Fragen des sexuellen Missbrauchs mehr sagen, so etwas gibt es bei uns nicht, das geht uns deshalb nichts an.“ Es sei vordringlich, auf dem vom Papst einberufenen Spitzentreffen zu einem „gemeinsamen Bewusstseinsstand über die Dramatik der Situation, den tiefgreifenden Glaubwürdigkeitsverlust und den umfassenden, auch strukturellen Reformbedarf in der katholischen Kirche zu kommen.“

Wichtigste Grundlage zum kirchenrechtlichen Umgang mit dem Thema ist der Codex kirchlichen Rechts (CIC) von 1983, insbesondere der Strafrechtskanon 1365, Paragraf 2, der Sexualdelikte von Klerikern an Minderjährigen unter Strafe stellt. Nachdem in den 1990er Jahren vereinzelt über Missbrauch und Misshandlungen berichtet wurde, war eine der ersten Rechtsreformen der Erlass „Sacramentorum sanctitatis tutela“ (Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente) von Johannes Paul II. im April 2001. Sie wies an, bei glaubhaften Vorwürfen die weitere Klärung von Fällen sexuellen Missbrauchs an die Glaubenskongregation nach Rom zu überweisen, um eine mögliche Vertuschung vor Ort zu verhindern. Benedikt XVI. aktualisierte 2010 den Erlass. Die schwerste und bei Missbrauch am häufigsten verhängte Strafe ist die Entlassung aus dem Klerikerstand, weitere Maßnahmen sind die Einschränkung des Einsatzbereichs ohne Begegnung mit Kindern und Jugendlichen, auch gibt es das Verbot priesterlicher Tätigkeiten in der Öffentlichkeit oder deren komplette Untersagung. Darüber hinaus erließ Papst Franziskus im Juni 2016 eine Anordnung zur Absetzung von vorgesetzten Bischöfen und Ordensoberen, die ihre Sorgfaltspflicht zur Aufklärung verletzt haben. Ein eigenes Gericht für Bischöfe, die Missbrauch vertuschen, wie es 2015 angekündigt worden war, kam nicht zustande. Maßgeblich für den Umgang der Kirche vor Ort sind vor allem nationale Richtlinien der Bischofskonferenzen zur Prävention von Missbrauch sowie zur Intervention. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden und eine Meldepflicht. Im Mai 2011 forderte der Vatikan die Bischofskonferenzen auf, ihre Richtlinien gemäß der Normen von 2010 zu überarbeiten oder solche zu erlassen. Seit 2014 berät dabei auch die Päpstliche Kinderschutzkommission. (Quellen: KNA)

Unser Gesprächsparter: Reinhard Marx wurde 1953 im westfälischen Geseke geboren und studierte Theologie und Philosophie in Paderborn, Paris, Münster und Bochum, 1989 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Von Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt erhielt Marx 1979 in Paderborn die Priesterweihe, 1996 die Bischofsweihe. Nach seiner Tätigkeit als Weihbischof im Erzbistum Paderborn wurde er am 20. Dezember 2001 zum Bischof von Trier ernannt und am 1. April 2002 in sein Amt eingeführt. Seit 2. Februar 2008 ist Marx Erzbischof von München und Freising, 2010 wurde er von Papst Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium aufgenommen. Von 2012 bis 2018 war Kardinal Marx Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (ComECE). Papst Franziskus berief Marx im April 2013 in den Kardinalsrat, der den Papst bei der Leitung der Weltkirche und bei der Reform der Kurie beraten soll. 2014 wurde er zum Koordinator des neu geschaffenen vatikanischen Wirtschaftsrats ernannt. Am 12. März 2014 ist Marx bei der Frühjahrsvollversammlung in Münster für eine sechsjährige Amtszeit zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden. In ihr ist Marx Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. Mehr: www.dbk.de, www.erzbistum-muenchen.de, www.bistum-muenster.de, kirchensite.de und www.katholisch.de.

Sonntag, 17.02.2019