Silvester: Der Papst und der Kaiser

von Christof Beckmann

Sonntag, 31.12.2017

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Er war von 314-335 Papst: Silvester I., in dessen Regierungszeit sich die entscheidende Wende von einer christenfeindlichen zu einer völlig anderen Staatspolitik vollzog. Er hätte wohl nie gedacht, dass er einmal rund um die Welt gefeiert werden würde...

INFO: Auch Silvester, um die Mitte des 3. Jahrhunderts in Rom geboren und um 284 zum Priester geweiht, hatte noch die massive Christenverfolgung 303 bis 305 durch Kaiser Diokletian (284-305) erlebt, soll für einige Zeit im Exil auf dem Monte Soratte bei Rom gelebt haben. Als Papst Miltiades stirbt, wird Silvester am 31. Januar 314 zu dessen Nachfolger gewählt. Und trifft auf eine völlig veränderte Situation: Denn die Kaiser Konstantin (306-337) und Licinius (308-324) hatten ein Jahr zuvor in der Mailänder Vereinbarung allen Bürgern des Römischen Reichs Religionsfreiheit garantiert, im Westteil des Reiches förderte Konstantin sogar den neuen christlichen Kult. Damit vollzog sich zu Silvesters Regierungszeit eine entscheidende Wende von einer christenfeindlichen zu einer christenfreundlichen Staatspolitik und für die Kirche begann eine lange Zeit des Friedens. Silvesters Pontifikat wurde mit 21 Jahren das bislang achtlängste. Er bestätigte die Beschlüsse des Konzils von Nizäa, das sich 325 klar gegen die Ablehnung der Gottheit Jesu durch Arius wandte und das erste Glaubensbekenntnis festschrieb. In seiner Amtszeit wurde der von Kaiser Konstantin geförderte Bau von Sankt Peter über dem Petrusgrab in Rom in Angriff genommen, ebenso der des Laterans, und Silvester wurde zum Autor der römischen Liturgie. Er starb am 31. Dezember 335, wurde in der Priscilla-Katakombe an der Via Salaria in Rom beigesetzt und während der Langobarden-Einfälle im 8. Jahrhundert in die Kirche San Silvestro in Capite an der Piazza San Silvestro überführt. Als erster heiliger Papstes, der nicht das Martyrium erlitt, wurde er 813 in den Heiligenkalender aufgenommen. Da sein Festtag auf den letzten Tag des Jahres fällt, wird sein Name mit den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel verbunden.

In seine Amtszeit fällt vor allem ein besonderes Ereignis, das hohe geschichtliche Bedeutung erlangte: Die sogenannte „Konstantinische Schenkung“ (Constitutum Constantini) – angeblich in den Jahren 315/317 ausgestellt, jedoch eine Fälschung des 8. Jahrhunderts. Nach Legenden soll Silvester Kaiser Konstantin selbst getauft und ihn von Aussatz geheilt haben. Zum Dank habe ihm der Kaiser dafür die Stadt Rom und das ganze Abendland geschenkt und ihm erlaubt, die kaiserlichen Insignien zu tragen – so die Geschichte, die um 754 nach der Salbung der Karolinger zu fränkischen Königen oder spätestens zu Beginn des 9. Jahrhundert in Umlauf gebracht wurde. Sie machte Silvester zum Begründer der weltlichen Macht der Päpste. Die in der mittelalterlichen Legenda Aurea des Jacobus de Voragine verbreitete Legende beanspruchte damit nicht nur das sogenannte „Patrimonium Petri“ als Grundlage des späteren Kirchenstaates, sondern setzte den Vorrang Roms vor allen anderen Bischofssitzen, die Herrschaft und Gericht über Italien und den Westen des Reiches – zuletzt eine klare Position jeder weltlichen Macht gegenüber. Damit war ein jahrhundertelanger Streit mit Kaisern und Königen vorgezeichnet, der nicht nur die Geschichte von ganz Europa prägte. Auch für das große Schisma, die Trennung von West- und Ostkirche 1054 spielte die „Konstantinische Schenkung eine wichtige Rolle. Trotz vieler Legenden und klarer Geschichtsfälschung, die früh und ständig angezweifelt wurde – die Amtszeit Silvesters selbst hatte weitreichende Folgen für die Entwicklung und Ausbreitung des Christentums.

Ein letztes altes Zeichen des päpstlichen Machtanspruchs, die Tiara als Zeichen der kaiserlichen, weltlichen Gewalt, kam inzwischen längst aus dem Gebrauch. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lautete die Übergabeformel bei der Krönung mit der Tiara: „Empfange die dreifache Krone und vergiss nie, dass Du Vater der Fürsten und Könige bist, das Haupt der Welt und der Statthalter Jesu Christi“. Papst Paul VI., als letzter Papst 1963 traditionell zum Papst gekrönt, verschenkte die Gabe seiner Heimatdiözese Mailand 1964 zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils zugunsten armer Menschen in sozialen Brennpunkten der Stadt Rom. 2006 verzichtete Papst Benedikt XVI. auf den Titel „Patriarch des Abendlandes“, entfernte die Tiara ganz aus seinem Wappen und ersetzte sie durch eine einfache Mitra mit drei goldenen Querstreifen. Der Originaltext der „Konstantinischen Schenkung“ für unsere Lateinfreunde und ihre Übersetzung im Netz.

Sonntag, 31.12.2017