Nazi-Opfer: Erich Klausener
Sonntag, 11.08.2024
Heute, immer am 11. August, war Verfassungs- und Nationalfeiertag in der Weimarer Republik. Wie bekannt, gab es aber Radikale, die etwas ganz anderes wollten. An ein prominentes Opfer wird in diesem Jahr in Recklinghausen erinnert …
INFO: In Thüringen waren die Nationalsozialisten schnell ins Parlament gekommen, schließlich waren sie mit in der Reichregierung. Und um ihre neue Macht zu erhalten, schlugen sie bald wild um sich. Nicht nur im Ausland sah man 1934 die Morde im angeblichen Putsch aus eigenen Reihen, dem „Röhm-Putsch“, als kriminellen „Bandenkrieg“. Doch die „Nacht der langen Messer“, die Säuberung von missliebigen Parteigängern vor allem aus der SA in eigenen Reihen, nutzte man gleich auch für Morde an anderen. Für Hitler wurde es zum Sieg über die Konservativen. Zugleich setzte er sich vollständig über Recht und Gesetz, machte sich zum Herrn über Leben und Tod, die 1919 unterzeichnete Verfassung war Makulatur, die Republik erledigt und Deutschland eine Diktatur.
Gedenken in Recklinghausen und Berlin: An ein prominentes Opfer am Rande wird in diesem Jahr in Recklinghausen gedacht: Erich Klausener (1885-1934), ehemaliger Landrat der Stadt und bekennender Katholik, wurde am 30. Juni 1934 von den Nationalsozialisten ermordet. Bei einem Festgottesdienst in der Propsteikirche St. Peter in Recklinghausen hat nach einer Feierstunde im alten Kreishaus Weihbischof Rolf Lohmann, Regionalbischof für den Kreis Recklinghausen und den Niederrhein, dazu aufgerufen, sich gegen extremistisches Gedankengut zu positionieren. Mit Blick auf die heutige Zeit sei es „richtig, immer wieder Personen in den Blick zu nehmen wie Erich Klausener, die in entscheidenden Momenten des Lebens sich klar und öffentlich positioniert haben. Es ist richtig, ihn hat es das Leben gekostet. Seine Überzeugungen haben ihn zum Märtyrer, zum Zeugen gemacht und uns Heutigen zum Vorbild“, sagte der Weihbischof. Denn „die Verblendung scheint fröhliche Urständ zu feiern. Das können wir nicht nur von Wahlergebnissen, wie jüngst bei der Europawahl ablesen, sondern auch an der Art und Weise, wie plötzlich wieder gesprochen wird, mit welchem Vokabular.“
Auch der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, erinnerte am 30. Juni bei einem Gedenkgottesdienst an die Ermordung von Erich Klausener vor genau 90 Jahren in der Berliner Gedenkkirche Maria Regina Martyrum an den NS-Widerstandskämpfer. Er stellte Klausener in eine Reihe mit dem seligen Bernhard Lichtenberg und Jesuitenpater Alfred Delp. Mit dem Mord an Klausener habe sich das Regime eines Mannes entledigen wollen, der erkannt habe, „dass mit dem Nationalsozialismus eine Kultur des Todes in Deutschland Einzug gehalten hatte“.
Erich Klausener: Der in der Zeit der Weimarer Republik einflussreiche Spitzenbeamte im preußischen Innenministerium und führende Persönlichkeit des politischen Katholizismus wurde am 25.1.1885 in Düsseldorf in einer politisch aktiven Familie geboren. Er ging nach dem Abitur 1903 zum Jura-Studium nach Bonn, Berlin und Kiel, wurde 1911 in Würzburg promoviert, diente im Ersten Weltkrieg und wurde zunächst Landrat im Eifel-Kreis Adenau. Als Landrat im Kreis Recklinghausen ab 1919 sozialpolitisch engagiert, verteidigte er die junge Demokratie gegen Rechts und Links und wechselte 1924 als Ministerialbeamter ins Wohlfahrtsministerium nach Berlin, modernisierte Polizeiorganisation und des Polizeirecht in Preußen und galt als Verfechter einer harten Linie zum Schutz der Republik. Zugleich war er ab 1929 in der von Papst Pius XI. ins Leben gerufene Laienbewegung „Katholischen Aktion" deren Leiter in der Diözese Berlin. Nach der Machergreifung 1933 versetzte Hermann Göring ihn in das Reichsverkehrsministerium und ließ ihn bald auf die Todesliste setzen. Denn als Redner bei Großkundgebungen trat Klausener in der Reichshauptstadt öffentlich gegen Übergriffe durch das Regime auf: Seine Rede auf dem 32. Märkischen Katholikentag am 24.6.1934 war sein letzter öffentlicher Auftritt, sechs Tage später wurde er bei den von Hitler befohlenen Terroraktionen nach dem sogenannten „Röhm-Putsch“ durch ein SS-Kommando in seinem Dienstzimmer im Reichsverkehrsministerium ermordet. Den von den Nazis verbreiteten „Selbstmord“ glaubte in der katholischen Bevölkerung niemand, kirchliche Würdenträger übten Kritik. Sein Mörder wurde 1949 in Berlin gefasst und durch das Schwurgericht beim Landgericht Berlin 1951 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Urne mit Erich Klauseners Asche wird seit dem 4. Mai 1963 in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum bewahrt.
Mehr: Biographie im Portal Rheinische Geschichte; Stadt Recklinghausen / Dokumente: Biografie Dr. Erich Klausener, „Gedenkbuch Opfer und Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945“ – Link: www.recklinghausen.de/gedenkbuch, mehr: https://www.recklinghausen.de/inhalte/startseite/ruhrfestspiele_kultur/_details.asp?form=detail&db=545&id=519
Unser Gesprächspartner: Georg Möllers, Jg. 1954, nach Bundeswehr Studium der Geschichte, Germanistik, kath. Theologie, Philosophie, Pädagogik in Münster, Referendariat in Bochum, 1982-2005 Lehrer am Bischöflichen Gymnasium St. Mauritz in Münster, am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Gelsenkirchen-Buer und am Gymnasium Petrinum Recklinghausen. Seit 1.9.2005 ist er Beigeordneter der Stadt Recklinghausen. Zu seinem gesellschaftlichen und politischen Engagement zählen: Vorstandsarbeit bei Kolping-Zentral, Sprecher der AG der Eine-Welt-Kreise, seit 1986 Vorstandsmitglied im Stadtkomitee der Katholiken, Gründungsmitglied des Vereins Solidarisches Handeln Gasthaus e.V., seit 2000 Erster Vorsitzender, 1989-2005 Mitglied des Rates der Stadt Recklinghausen, ab 1994 CDU-Fraktionsvorsitzender, 1989-2005 Vorsitzender des Ausschusses Kinder, Jugend, Familie, Mitglied im Kirchenvorstand St. Paul, seit 1991 2. Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde Recklinghausen, Herausgeber bzw. Autor regionalgeschichtlicher Veröffentlichungen mit dem Schwerpunkt in der neueren Zeitgeschichte.