Karneval: Verkehrte Welt

von Christof Beckmann

Sonntag, 11.02.2024

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Kölner Dreigestirn 2005, Collage: KIP

Auch wenn kaum einer noch richtig fastet, ist der organisierte Frohsinn kaum zu stoppen: Am Karnevalssonntag ein Blick auf die verkehrte Welt, auf den Spiegel, in den alle schauen sollten. Und auf die Freiheit, ohne die Alles Nichts ist …

INFO: Die zumeist in ursprünglich in katholisch geprägten Regionen veranstalteten „närrischen Tage“ vor der am Aschermittwoch beginnenden Fastenzeit heißen im Rheinland Karneval, in Mainz und Umgebung Fastnacht, im schwäbisch-alemannischen Gebiet Fasnet und im bayrisch-österreichischen Raum Fasching. „Domenica ante carnes tollendas“ nannte die Kirche den „Sonntag vor der Fleischenthaltung“ früher, das Wort „Fastnacht“ ist seit dem 12. Jahrhundert im Mittelhochdeutschen bekannt.

Seit dem 13. und 14. Jahrhundert gehören Gastmähler, Trinkgelage, Reiter- und Tanzspiele zur so genannten Fünften Jahreszeit, in der die bestehende Ordnung außer Kraft gesetzt und im Narrengewand verspottet wird. Die Geistlichkeit billigte den Wunsch der Laien nach „leiblichen Genüssen“ vor der harten Fastenzeit und unterstützte die Entfaltung des Festes. Papst Sixtus IV. (1471-1484) ließ sogar die Gehälter der Universitäts-Lektoren mit drei Prozent besteuern, um Karnevalsfeiern zu finanzieren. Anders die Reformatoren: Sie hatten das vorösterliche Fasten abgeschafft und wollten das vorangehende „äußerst unfromme Spektakel“ (Martin Luther) nicht dulden. Höhepunkte der närrischen Zeit („Session“), die offiziell am 11. November beginnt und bis Aschermittwoch dauert, sind Weiberfastnacht am Donnerstag vor Aschermittwoch, der Karnevalssamstag und -sonntag, sowie der Rosenmontag mit seinen farbenprächtigen Umzügen und der Veilchendienstag.

Der Aschermittwoch ist ein variabler Termin, der sich von Ostern her errechnet. Ihm geht im christlichen Festkalender die österliche Fastenzeit (Quadragesima) voraus, deren Länge von 40 Tagen auf das Fasten Jesu in der Wüste (Mt 4, 2) und weitere Termine aus dem Alten Testament zurückgeht. Seit Ende des 11. Jahrhunderts werden die Katholiken in den Gottesdiensten am Aschermittwoch mit einem Aschenkreuz bezeichnet. Die aus gesegneten Palmzweigen gewonnene Asche gilt als Symbol der Trauer und Buße, steht aber zugleich für die Hoffnung der Christen auf Auferstehung. Der Aschermittwoch ist neben dem Karfreitag der einzige Tag, der in der katholischen Kirche als strenger Fastentag gilt. Das Kirchenrecht schreibt Abstinenz und Fasten vor.

Düsseldorfer Rosenmontagszug: In Düsseldorf fährt beim Rosenmontagszug wieder ein interreligiöser „Toleranzwagen“ mit. Er zeigt, ähnlich wie 2019 und 2020, eine Polonaise mit christlichen, jüdischen und muslimischen Geistlichen. „Wir wollen in Zeiten zunehmender Intoleranz ein Zeichen für Toleranz setzen“, erklärte der katholische Düsseldorfer Stadtdechant Frank Heidkamp. Bei der Finanzierung des Projekts habe ein anonymer Spender den Großteil der Kosten übernommen, so Michael Szentei-Heise, Karnevals-Beauftragter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Bildhauer Jacques Tilly ist der Wagenbauer und Agnostiker: „Aber Frieden unter den Religionen ist etwas, das ich voll und ganz unterstützen kann“, so der Künstler. Das Wort „Frieden“ erscheint in mehreren Sprachen, besonderes aktuelles Element ist der Slogan #BringThemHomeNOW, der sich auf die von der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln bezieht. Neu an dem Wagenmotiv ist auch, dass statt eines katholischen Priesters eine Ordensfrau abgebildet ist. Zudem sind neben einer evangelischen Pastorin ein koptischer und ein orthodoxer Geistlicher vertreten. Als Repräsentant der muslimischen Gemeinde ist wieder Ataman Yildirim, Gründer der Karnevalsgesellschaft „Orient-Okzident-Express“, am „Toleranzwagen“ beteiligt. (KNA)

Sonntag, 11.02.2024