Digitale Kirche: was davon bleibt nach Corona?

von Markus Möhl

Sonntag, 11.07.2021

Laptop-Bildschirm zeigt Pfarrerin beim Online-Gottesdienst
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Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 haben viele Gemeinden Gottesdienste und Andachten im Internet übertragen. Viele Menschen wünschen sich, dass das auch so bleibt. (Foto: Manfred Rütten)

In der Corona-Krise hat gefühlt jede Kirchengemeinde plötzlich Gottesdienste im Internet übertragen, Chorproben, Jugendarbeit und sogar ganze Synoden fanden per Zoom statt. Was bleibt davon, jetzt wo fast alles auch wieder live vor Ort möglich ist?

Nach fast anderthalb Jahren pandemiebedingter Einschränkungen atmen derzeit viele Gemeindemitglieder auf und freuen sich auf persönliche Begegnungen und Gespräche – sei es beim sonntäglichen Gottesdienst, bei Kirchenkonzerten oder bei den Kinder- und Jugendfreizeiten, die in diesem Sommer endlich wieder stattfinden können. Manches digitale Angebot – etwa bei den kirchlichen Beratungsstellen – war auch nur eine Notlösung, damit die Arbeit unter Corona-Bedingungen überhaupt weiterlaufen konnte. Insgesamt aber hat die Krise den Kirchen einen Digitalisierungsschub mit vielen neuen Möglichkeiten verpasst.

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 war sich der Internetkoordinator der Evangelischen Kirche im Rheinland, Ralf Peter Reimann, sicher: „Ich glaube, ein »einfach so weiter wie vorher« wird es nach Corona nicht geben. Wir werden dann alle eine große Lernkurve hinter uns haben. Ganz andere Menschen, die vorher vielleicht nicht in die Kirche gegangen sind, haben jetzt Internet-Gottesdienste und Gemeinde erlebt. Und wenn das ein positives Erlebnis ist - und das ist es, wenn man sieht, wie viele Menschen gemeinsam Online-Gottesdienst feiern - dann hoffe ich, dass diese Angebote nicht eingestellt werden, sondern in etwas anderer Form, vielleicht etwas reduzierter weiter fortgeführt werden. Denn wir wissen jetzt, wie es geht!“

Die Zahlen einer Studie vom Herbst 2020 mit fast 5.000 Befragten aus fünf evangelischen Landeskirchen bestätigen diese Einschätzung. Demnach wünschten sich fast 83% aller Befragten weiterhin regelmäßige Online-Gottesdienste, und gut 65% wollten auch dann an Online-Gottesdiensten teilnehmen, wenn Präsenzgottesdienste wieder möglich sind. Gut 61% wünschten sich als Drehort den sakralen Kirchraum, und gut 38% möchten interaktiv am Gottesdienst beteiligt werden. Die Länge der Online-Gottesdienste sollte idealerweise unter 30 Minuten liegen, auf keinen Fall länger als 45 Minuten lautet eine weitere Erkenntnis der Studie.

Interesse und Bedarf seitens der Gemeindemitglieder sind also vorhanden. Und weil die Technik zur Aufzeichnung oder zum Streamen eines Gottesdienstes inzwischen erschwinglich und auch für Laien handhabbar ist, hat es gerade zu Beginn der Corona-Pandemie einen wahren Boom an entsprechenden Angeboten gegeben. Doch für viele Gemeinden war es ein Sprung ins kalte Wasser, verbunden mit hohem persönlichen Einsatz und viel Aufwand für Kommunikation und Koordination, der nun vielerorts wieder zurückgefahren werden dürfte.

Deshalb wird es sicher Gemeinden geben, die froh sind, von digitalen Gottesdiensten wieder zu Präsenzangeboten zurückkehren zu können. Andere haben – ermutigt durch hohe Klickzahlen – in bessere Technik investiert und in der Gemeinde regelrechte „Stream-Teams“ aus Ehrenamtlichen aufgebaut, die mit viel Herzblut bei der Sache sind. Dort dürfte es mit den Online-Gottesdiensten weitergehen – wenn auch vielleicht mit etwas weiterer Taktung.

Coronabedingt hat die Digitalisierung aber auch noch in anderen kirchlichen Arbeitsbereichen und Angeboten Einzug gehalten. Der Konfi-Unterricht per Zoom-Konferenz mag eine vorübergehende Erscheinung sein. Aber die Kommunikation zwischen Pfarrer/in und Konfi-Gruppe mittels der „KonApp“ für Smartphones wird sicher keine Eintagsfliege bleiben. Ähnliches gilt für „Actionbound“ - eine App, mit der sich z.B. im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit schnell und einfach interaktive Schnitzeljagden oder Handy-Rallyes für Smartphone und Tablet erstellen lassen.

Ein weiteres Feld, auf dem die Kirchen nicht erst seit Corona immer aktiver werden, sind die sogenannten Sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagram sowie Plattformen wie Youtube, Spotify oder Anchor.fm, wo sie Video- und Audioangebote verbreiten können. Die Chancen sind da, doch sie werden limitiert durch die finanziellen Ressourcen und den Personaleinsatz, den eine Gemeinde für die Arbeit in diesen Bereichen bereitstellen kann. Nicht jede Kirchengemeinde kann und muss überall präsent sein. Um die Chancen trotzdem zu wahren, gilt es deshalb, Kräfte zu bündeln – etwa auf der Ebene der Kirchenkreise – und gemeinsam gemeindeübergreifende Angebote zu entwickeln.

Sonntag, 11.07.2021