Bonifatius – Der Apostel der Deutschen aus England

von Elvis Katticaren

Sonntag, 04.06.2023

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Morgen steht er im Kalender: Der Hl. Bonifatius. Zahlreiche Klostergründungen gehen auf ihn zurück. Auch die deutschsprachige katholische Gemeinde in London trägt seinen Namen: St. Bonifatius London. Denn da kam der „Apostel der Deutschen“ her.

INFO: Die Beziehungen von Großbritannien zum Kontinent sind alt: Kelten, Römer, Sachsen und Normannen legen die Fundamente einer Inselnation, die Schlüsselfiguren der europäischen Zivilisation hervorbrachte. Doch vor knapp 1000 Jahren ging es auch in die umgekehrte Richtung: Seit dem frühen 11. Jahrhundert sind in London rheinische und Kölner Kaufleute nachgewiesen, die guten Rheinwein auf die Insel brachten und Wolle mit nach Hause nahmen. 1175, vor gut 850 Jahren, gründeten sie mit der Guildhall (Gilde-/Zunfthaus) eine gemeinsame feste Niederlassung an der Themse. Der vor 550 Jahren auf einem etwa 7000 m² großen Gelände am Nordufer der Themse eingerichtete Stalhof der Hanse (Stiliard/Steelyard), wurde von den Kölnern angeführt. Da die Kölner Kaufleute immer in der Mehrheit waren, stellten sie meist den Ältermann. Der Stalhof finanzierte sich hauptsächlich aus einer „Schoß“ genannten Abgabe, die alle Hansekaufleute entrichten mussten, die England bereisten. Während des großen Brandes von London im Jahre 1666 wurden die meisten Gebäude zerstört. Sie wurden auf Kosten der Städte Bremen, Hamburg und Lübeck wieder aufgebaut. Er bestand bis zu seinem Ende vor 170 Jahren: Erst 1853 verkauften die Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg das Gelände. Zahlreich deutsche Wirtschaftsmigranten kamen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts als Konditoren und Uhrmacher in die Gegend um die Towerbridge und hinterließen bleibende Spuren vor allem in der Architektur.

Auch die Ursprünge der Deutschsprachigen Katholischen Gemeinde „Sankt Bonifatius“ in London reichen bis ins späte 18. Jahrhundert zurück. Nach dem „Catholic Relief Act“ von 1791 war Katholiken wieder freie Glaubensausübung und der Bau von Kirchen gestattet. Zwei Priester aus der Schweiz und Österreich sammelten die deutschsprachigen Einwanderer im Umkreis der Virginia Street Chapel in Wapping im Londoner East End. 1809 gelang es im Haus 22, Great St. Apostle Street, eine eigene „German Chapel“ einzurichten, zum Namenspatron wurde neben den Aposteln Petrus und Paulus auch der Heilige Bonifatius gewählt, der den Ehrentitel „Apostel der Deutschen“ trägt. Mehreren Kirchenbauplänen und Provisorien in folgte 1875 eine erste feste Kirche, ein Pfarrhaus (1877) und eine Grundschule (1879) wurden errichtet und das Viertel galt im Volksmund auch als „Little Germany“. Der Erste Weltkrieg brachte Ausweisungen, antideutsche Kundgebungen und Plünderungen, eine deutsche Bombe zerstörte 1917 das Kirchendach, und doch konnte 1925 die offizielle Weihe der Kirche durch den Kölner Kardinal Schulte gefeiert werden. St. Bonifatius in Whitechapel blieb das geistliche Zentrum der Gemeinde – bis die Deutschen Luftwaffe 1940 zahlreiche Angriffe flog und dabei auch Kirche und Anwesen der Gemeinde zerstörte. Erst ab 1945 wurde in den Räumen der ehemaligen Schule eine Notkapelle und ein Saal eingerichtet, 1960 konnte die neue St. Bonifatius-Kirche von Cardinal Godfrey (Westminster) und Weihbischof Cleven (Köln) eingeweiht werden. 2017 unter Denkmalschutz gestellt, dient sie der Deutschsprachigen Katholischen Gemeinde in London als Zentrum, auch wenn sich die Gemeindemitglieder inzwischen über den ganzen Großraum der Stadt verteilen. DownloadKirchenführer als PDF

Gästehaus: Das angrenzende Wynfrid House („Bed, Breakfast und Geborgenheit“) , nur ein paar Minuten zu Fuß von der Tower Bridge in einer ruhigen Seitenstraße im hippen East End von London, dient seit 1970 nicht nur als Gemeindezentrum, sondern ist als Hostel auch Anlaufpunkt für Gäste aus aller Welt. Mit 34 Doppel- und Einzelzimmern und 2 großen Schlafsälen hat sich das Haus sogar in die Top 20 der „Bed and Breakfasts“ in ganz London gemausert. Mehr: https://wynfridhouse.com/

Links: Gemeinde, Geschichte, Terminkalender, Oase-Magazin & Downloads, Kontakt, Facebook-f. Adressen: Die Gemeinde hat zwei Standorte im Londoner East End (Whitechapel) und in Richmond (Ham): Whitechapel, Saint Boniface Church, 47 Adler Street, London E1 1EE , +44 – 20 – 7247 9529, E-Mail senden ​; Ham, St. Thomas Aquinas, Ham St, Richmond TW10 7HT, +44 - 20 - 8332 1036, E-Mail senden. Internet: https://dkg-london.org/

Pfarrer Andreas Blum, E-Mail: pfarrer@dkg-london.org

Winfried / Bonifatius: Bonifatius wurde 672/73 als Sohn einer Adelsfamilie im Königreich Wessex in England mit dem Namen „Wynfreth“ geboren und trat gegen den Willen seines Vaters ins nahe gelegene Benediktinerkloster Exeter ein. Mit 30 Jahren wurde er Priester, Abt in Nursling und verfasste als Lehrer für Grammatik und Dichtung Bibelauslegungen, die erste englische Grammatik der lateinischen Sprache und Gedichte. 716 endete eine Missionstätigkeit in Friesland erfolglos, 718 aber erhielt er von Papst Gregor II. den Auftrag, in den deutschsprachigen Ländern das Evangelium zu verkünden. Mit dem neuen Namen „Bonifatius“ kehrte er über Bayern und Thüringen nach Friesland zu Bischof Willibrord in Utrecht zurück und begann 721 seine Mission in Hessen und Thüringen.

722 in Rom zum Missionsbischof geweiht, nahm er die Neuordnung der Kirche im Süden und Osten des späteren Deutschlands in Angriff und gründete zahlreiche Kirchen und Klöster. 732 wurde Bonfatius von Papst Gregor III. zum Erzbischof und päpstlichen Vikar des Ostteiles des Frankenreiches ernannt. In diesem Amt gründete und reorganisierte er u.a. die Bistümer Salzburg, Passau, Regensburg, Freising, Würzburg, Büraburg bei Fritzlar und Erfurt. Gegen viele Widerstände legte Bonifatius, ab 746 Bischof von Mainz, damit die Grundlagen für die katholische Kirche in den deutschsprachigen Ländern. Am 5. Juni 754 wurde er auf Missionsreise nahe dem friesischen Dokkum ermordet und in seinem 744 gegründeten Kloster Fulda, der späteren Reichsabtei, bestattet.

Seit 1867 treffen sich die deutschen katholischen Bischöfe zu ihrer Herbstvollversammlung an seinem Grab im Dom zu Fulda. Zu seinem 1250. Todesjahr 2004 erinnerten zahlreiche Veranstaltungen an den „Apostel der Deutschen“ und „Wegbereiter des Abendlandes“, die deutschen Bischöfe legten bei ihrer Herbstvollversammlung (20.-23. September 2004) am Ort seiner Grablege als „Vision für eine Neuevangelisierung Deutschlands“ ein „Wort aus Fulda„ vor. Heute, am 4. Juni, begeht das Bistum Fulda das Bonifatiusfest (www.bistum-fulda.de).

Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken: Das 1849 von Laien gegründete Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken ist von der Deutschen Bischofskonferenz mit der Förderung der Diaspora-Seelsorge beauftragt. Das Hilfswerk mit Sitz in Paderborn unterstützt Katholiken, die weit verstreut als Minderheit unter Anders- und Nichtglaubenden leben, vornehmlich in Ost- und Norddeutschland, Skandinavien, Estland und Lettland. Mit Spenden fördert das Bonifatiuswerk den Bau und die Renovierung von Kirchen und Gemeindezentren, Jugend- und Bildungshäusern, katholischen Schulen und Kindergärten sowie die Motorisierung von Pfarreien. Es unterstützt mit der Diaspora-Kinder‑ und Jugendhilfe Projekte der Glaubensweitergabe sowie pastorale und sozial-karitative Projekte. Jedes Jahr führt das Bonifatiuswerk den traditionellen Diaspora-Sonntag durch, an dem in allen Gemeinden Deutschlands für die Arbeit des Bonifatiuswerks gesammelt wird. Mehr: https://www.bonifatiuswerk.de/de/

Missionare von den Inseln auf dem Kontinent: Seitdem Papst Gregor I. der Große (540-604) Mönche zur Mission nach England schickte, trat die ehemalige römische Provinz Britannien prägend in die europäische Geschichte ein: Aus den zu den Angelsachsen und Kelten auf die Insel gesandten Missionaren entstand eine Bewegung, die innerhalb von mehr als drei Jahrhunderten den europäischen Kontinent entscheidend prägte. Zahlreiche Wanderbischöfe und Missionare aus England, Schottland und Irland verbreiteten nördlich der Alpen das Christentum.
Nach der Taufe von König Aethelbert I. von Kent zu Pfingsten 597 verband sich die entstehende englische Kirche mit der Klosterkultur in Irland, die seit der Mission des Hl. Patrick (389-461) dort ungestört von der Völkerwanderung aufgeblüht war. Unzählige, oft namenlos gebliebene Wandermönche strömten auf den Kontinent, wo sie als Einsiedler oder in Gemeinschaften lebten: In zwei großen Wellen landeten sie vom 6. bis zum 11. Jahrhundert an den französischen Küsten und kamen bis Galicien, erreichten das Elsass, 563 St. Gallen in der Schweiz, aber auch Österreich und Oberitalien. Entlang der großen Flüsse siedelten sich in Köln und anderen Orten Süddeutschlands in Schottenklöstern an, gingen aber auch in die undurchdringlichen Landschaften rechts des Rheins. Ab dem 7. Jahrhundert missionierten sie in Hessen und errichteten zur Mitte des 8. Jahrhunderts mit dem hl. Bonifatius (*um 673-754) neue Bistümer und Kirchenstrukturen in Deutschland. Nur wenige dieser iroschottischen Missionare sind mit Namen bekannt. Als Schlüsselfiguren in unserer Region gelten der Friesenmissionar Willibrord aus Northumbria (658-7. November 739 in Echternach), Lebuin († um 775), der unter den heidnischen Altsachsen predigte, und Suitbert (um 637-713). Der Gründer und erste Abt des Klosters Kaiserswerth bei Düsseldorf missionierte zwischen Ruhr und Lippe, wo gleichzeitig auch die beiden Ewalde am Hellweg und im Münsterland tätig waren. Sie starben als Märtyrer zwischen 691 und 693 bei Aplerbeck in Dortmund, ihre Reliquien wurden nach Köln überführt. Aus Irland und England stammende Mönche und Gelehrte reformierten schließlich am Hof Karls den Großen (742-814) in Aachen, die Bildung, Schrift, Verwaltung, Kunst und Kultur. Buchtipp: Lutz E. von Padberg, Christianisierung im Mittelalter. Hrsg. WBG Darmstadt, Lizenzausgabe K. Theiss Verlag Stuttgart, 2006, ISBN 3-8062-2006-9.

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