Telefonseelsorge: an Feiertagen sehr gefragt

von Bettina Furchheim

Sonntag, 27.12.2015

ein Werbeplakat der Telefonseelsorge
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2016 feiert die Telefonseelsorge in Deutschland ihr 60jähriges Bestehen.

Einen stimmungsvollen Heiligabend und harmonische Festtage im Familienkreis hat längst nicht jeder. Alle Jahre wieder rufen gerade zu Weihnachten viele Menschen bei der Telefonseelsorge an, um sich ihren Frust oder ihre Enttäuschung von der Seele zu reden

Die Ursachen für derartige Hilferufe sind vielfältig. Übersteigerte Erwartungen an das Weihnachtsfest, zu viel Alkohol oder das ungewohnt enge Beisammensein über mehrere Tage können zu Frust und Aggressionen führen. Pfarrer Werner Korsten, Leiter der Essener Telefonseelsorge, kennt solche Fälle: "Zum Beispiel, dass es Streit in der Familie gegeben hat, dass man sich nicht hat einigen können, wie feiert man Weihnachten, dass die Kinder zum Beispiel dann doch noch ausgehen wollten, oder dass der Ehemann, der vielleicht versprochen hat, an Weihnachten nicht zu trinken, dann doch getrunken hat."

Neben enttäuschten und manchmal auch verzweifelten Familienangehörigen melden sich während der Weihnachtsfeiertage aber auch viele Alleinstehende bei der Telefonseelsorge, so Werner Korsten: "Weihnachten ist traditionellerweise ein Fest der Familie, und Menschen die dann an diesen Tagen alleine sind (…) oder wo die Beziehungen gestört sind, da ist das natürlich besonders spürbar."

Die Telefonseelsorge – getragen von evangelischer und katholischer Kirche – ist rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr kostenlos erreichbar unter den Nummern 0800-1110111  oder  0800-1110222. Anrufen kann jeder, der ein Problem hat – Religionszugehörigkeit spielt keine Rolle. Auf Wunsch kann das Gespräch völlig anonym laufen, es ist und bleibt in jedem Fall vertraulich und gebührenfrei. Auch auf der Telefonrechnung taucht ein Anruf bei der Telefonseelsorge nicht auf. Im vergangenen Jahr (2014) haben die meist ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Telefonseelsorge bundesweit über 1,8 Millionen Anrufe entgegengenommen.

Nach zwei ersten Anläufen in New York (Baptistenpfarrer Harry Warren, 1896) und London (Baptistenpfarrer West, 1953) war es der Anglikanerpater Chad Varah, der 1953 und ebenfalls in London den Grundstein für die heutige Telefonseelsorge legte. Er veröffentlichte eine Telefonnummer, unter der man ihn bei Selbstmordabsichten anrufen sollte. Er hatte als erster die Gelegenheit, die Arbeit kontinuierlich fortzuführen, gründete später die nationale Organisation "The Samaritans" und schließlich auch einen ersten internationalen Verband. 1956 entstand die erste Telefonseelsorge in Deutschland: Der Berliner Arzt u. Pfarrer Klaus Thomas veröffentlichte am 5. Oktober 1956 eine private Telefonnummer für die "Ärztliche Lebensmüdenbetreuung"; das Wort Telefonseelsorge war noch nicht geboren. Heute ist die Telefonseelsorge in über 100 Städten vertreten und ansprechbar für Krisensituationen jeglicher Art - sei es Trauer, Einsamkeit, Gewalterfahrung, Sucht oder Partnerschaftskonflikte. Mehr Infos und die Möglichkeit von Seelsorge per Internet und e-mail bietet http://www.telefonseelsorge.de/  Hier finden Sie auch eine Adressenliste aller Stellen, falls Sie sich für eine Mitarbeit bei der Telefonseelsorge interessieren.
Sonntag, 27.12.2015