So geht beichten auf evangelisch

von Eva Schüler

Sonntag, 14.06.2015

drei Beichtstühle in einer Kirche
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Ohrenbeichte, Sündenbekenntnis im Gottesdienst oder Online-Seelsorge: die evangelische Kirche bietet verschiedene Formen der Beichte an.

Beichtstühle sucht man in evangelischen Kirchen zwar vergebens, aber die Beichte selbst ist auch hier durchaus lebendig. Denn das Bekenntnis von Sünde und Schuld und die zugesprochene Vergebung Gottes gehört zum Kern des christlichen Glaubens.

Biblisch begründet wird die Beichte im Neuen Testament durch die Zusage Jesu an seine Jünger "Wenn ihr jemandem die Sünden vergebt, so sind sie ihm vergeben" (Johannes-Evangelium, Kap. 20, Vers 23). Interessant: Der Begriff "Sünde" lässt sich ableiten von "sondern", "Absonderung". Damit ist die Absonderung von Gott gemeint. Somit ist der Begriff weniger ein moralischer als vielmehr ein religiöser. Sünde meint also das menschliche Handeln ohne bzw. gegen Gott und seine Gebote.

Selbst der Gründervater der evangelischen Kirche, der Reformator Martin Luther, hat gebeichtet. Er hat allerdings auch ein neues Verständnis von der Beichte geprägt, das in den evangelischen Kirchen bis heute Bestand hat. Anders als in der katholischen Kirche gibt es nach lutherischem Verständnis z.B. keinen Zwang oder Pflicht zur Beichte: Das Bekenntnis von Sünde, Schuld und Scheitern sollte immer freiwillig erfolgen und gilt auch nicht als Sakrament. Wichtiger als die Besprechung einzelner Regelverstöße ist die abschließende Absolution, denn durch sie wird die durch die Sünde beschädigte oder zerstörte Beziehung zu Gott und den Mitmenschen wiederhergestellt. Außerdem gilt: der Mensch kann sich Sündenvergebung nicht durch eigene gute Taten "erkaufen" (Ablass).

Zwar hat die so genannte Einzelbeichte oder "Ohrenbeichte" – also das Gespräch unter vier Augen zwischen Gemeindeglied und Pfarrer/in – in der evangelischen Kirche seit dem Ende 17. Jahrhunderts kaum noch Tradition. Gleichwohl besteht aber jederzeit die Möglichkeit dazu. Bei derartigen seelsorgerlichen Gesprächen unterliegt der Pfarrer/in der Schweigepflicht und dem Beichtgeheimnis. Die Geistlichen dürfen also nichts aus dem Gespräch an Dritte weitergeben, es sei denn, der Ratsuchende entbindet ihn ausdrücklich von seiner Schweigepflicht.

Das Beichtgeheimnis reicht noch ein Stück weiter und darf von Geistlichen nur gebrochen werden, wenn dadurch eine schwere Straftat noch vereitelt werden kann. Um diesen Ansprüchen an die Geheimhaltung und Verschwiegenheit auch unter den Bedingungen der modernen Kommunikationsmittel gerecht zu werden, arbeiten kirchliche Seelsorgeangebote im Internet wie z.B. www.chatseelsorge.de mit aufwändigen Verschlüsselungstechniken, damit der E-mail-Verkehr zwischen Ratsuchendem und Seelsorger nicht von Dritten abgefangen und eingesehen werden kann. Auch Anrufe bei der Telefonseelsorge werden auf der Telefonrechnung oder im Einzelverbindungsnachweis nicht aufgelistet.

Die für die Beichte charakteristischen Elemente von Sündenbekenntnis und –vergebung sind in allen evangelischen Kirchengemeinden fester Bestandteil der Gottesdienstliturgie, insbesondere auch in den Gottesdiensten am Buß- und Bettag. Nach der Begrüßung ("Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes"), dem Psalm und dem Gloria Patri folgt das so genannte Kyrie. Hier wird Gott angerufen und stellvertretend für die versammelte Gemeinde das Sündenbekenntnis formuliert. Die Gemeinde ihrerseits bestätigt dies und antwortet darauf mit dem (gesungenen) Kyrie Eleison ("Herre Gott erbarme dich"). Anschließend spricht der Liturg die Gnadenzusage und die Gemeinde beantwortet die ihr damit zugesprochene Vergebung mit dem ebenfalls gesungenen Lobpreis (Gloria in excelsis).
Sonntag, 14.06.2015