„Du siehst mich!" – kein Kirchentag wie jeder andere

von Manfred Rütten

Sonntag, 21.05.2017

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Am Mittwoch startet in Berlin der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag. Im Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation" ist es kein Kirchentag wie jeder andere. Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird der Kirchentag auch nicht da enden wo er angefangen hat...

INFO: Wenn mehr als 100.000 Christen in einer einzigen Stadt zusammenströmen, um fünf Tage lang bei rund 2.500 Veranstaltungen miteinander zu singen, zu beten und zu diskutieren, dann ist klar: Es ist Kirchentag. Diesmal in Berlin und Wittenberg.

Er startet am 24. Mai mit mehreren Eröffnungsgottesdiensten, an die sich der schon traditionelle "Abend der Begegnung" anschließt – ein großes Straßenfest entlang der Flaniermeile "Unter den Linden". Tags darauf startet dann das eigentliche Veranstaltungsprogramm, das bis einschließlich Samstag rund 2.500 Angebote bereithält. Jeden Morgen gibt es im gesamten Stadtgebiet die sogenannten Bibelarbeiten, im weiteren Tagesverlauf auch Mittagsgebete und Gottesdienste sowie Nachgebete, die jeden Tag beschließen.

Neben diesen geistlich-religiösen Angeboten bietet der Kirchentag aber auch viel Raum für (politische) Diskussionen, zahlreiche kulturelle Veranstaltungen von Theater bis Kabarett und viel Musik. Unter anderem werden Stars wie Yvonne Catterfeld, Max Giesinger und die Kölner A-Capella-Band "Wise Guys" auf dem Kirchentag spielen. Mindestens genauso namhaft sind auch die Redner und Talkgäste während des Kirchentages. Angeführt wird die Liste von Ex-US-Präsident Barack Obama, der am 25. Mai ab 11 Uhr mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Bühne am Brandenburger Tor auftreten wird. Gemeinsam stellen sie sich den Fragen von Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au und dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm. Auch Polit-Prominenz aus Deutschland hat sich für den Kirchentag angesagt – allen voran Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Außenminister Sigmar Gabriel, Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie weitere Spitzenvertreter aller Parteien.

Thematische Schwerpunkte beim diesjährigen Kirchentag sind Europa und die Gefahren des aufkeimenden Nationalismus, aber auch das Thema "gesellschaftlicher Zusammenhalt": Wie können die verschiedenen Religionen gut miteinander auskommen? Wie geht man mit Rechtspopulisten um, und auch das Flüchtlingsthema wird weiter für Gesprächsstoff sorgen. Am Freitagmittag soll es zum Beispiel bei allen Kirchentagsveranstaltungen eine Schweigeminute geben für die Toten im Mittelmeer.

Die Veranstaltungen des Kirchentages verteilen sich auf 84 Orte im gesamten Berliner Stadtgebiet – vom Brandenburger Tor über den Alexanderplatz und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz bis hin zum Berliner Tempodrom, wo sich das Zentrum Jugend befindet. Aufgrund verschärfter Sicherheitsvorkehrungen wird es erstmals Taschenkontrollen beim Kirchentag geben – insbesondere bei den Eröffnungsgottesdiensten und beim Auftritt Obamas. Außerdem wird der Kirchentag zum ersten Mal in seiner fast 70jährigen Geschichte nicht dort enden wo er begonnen hat: Der Schlussgottesdienst am 28. Mai findet nicht in Berlin statt, sondern gut 100 Kilometer südwestlich, in der Lutherstadt Wittenberg.

Für die Organisatoren wie für die Verkehrsbetriebe bedeutet das eine kleine "Völkerwanderung". Denn nicht nur die Kirchentags-Teilnehmer aus Berlin werden per Bus und Bahn nach Wittenberg kommen. Parallel gibt es auch noch die sogenannten "Kirchentage auf dem Weg", unter anderem in Magdeburg, Leipzig, Jena, Erfurt und Halle. Auch von dort werden sich Besucher auf den Weg nach Wittenberg machen. Ziel sind die Elbwiesen vor den Toren der Stadt, wo am Sonntag ab 12 Uhr der Schlussgottesdienst mit mindestens 100.000 Teilnehmern stattfinden wird – es könnten auch doppelt so viele werden. Die ARD überträgt den Gottesdienst live in Fernsehen und Hörfunk.

Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 24. bis 28.Mai steht unter dem Motto "Du siehst mich!". Wie immer stammt der Leitspruch aus der Bibel: Im 1. Buch Mose (Kap.16, Vers 13) steht der Satz "Du bist ein Gott, der mich sieht". Die scheidende Generalsekretärin des Kirchentages, Ellen Ueberschär, hat über diese Bibelstelle eine schöne Auslegung verfasst. Sie finden den Text hier. Eine Losung für den 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag in zwei Jahren gibt es noch nicht, aber dafür steht der Ort schon fest: im Juni 2019 kommt der Kirchentag nach Dortmund.

Sonntag, 21.05.2017